Fernwärmekongress Bern: Hier spielt die Musik.
(Text: Robert Schütz) Am 9.Juni 2022 fand in Bern das 22. Fernwärme-Forum statt. Die Fernwärme und Fernkälte soll zukünftig einen noch wichtigeren Beitrag zur Energiewende leisten. Lösungsansätze gibt es viele. Die Veranstaltung gab hierfür wichtige Impulse. Der Verband Fernwärme Schweiz (VFS) erklärte selbstbewusst: Da spielt die Musik.
«Our beds are burning»; mit diesen Worten hatte die Bundesrätin Simonetta Sommaruga ihr Grusswort überschrieben. Sommaruga, die eigentlich Klassikfan ist, hatte den Song der Rockgruppe «Midnight Oil» ausgewählt, um auf die Dringlichkeit der Klimakrise aufmerksam zu machen.
«Ich habe zwar lieber klassische Musik, erklärte sie, aber angesichts der drohenden Energie- und Klimakrise ist mir nicht nach lieblichen Sonaten, sondern nach lauten und deutlichen Tönen». Doch auch eine konkrete Aussage hatte die Bundesrätin im Gepäck: «Ich werde dem Bundesrat vorschlagen, dass für Fernwärme-Projekte, welche durch Private initiiert werden, künftig keine öffentliche Ausschreibung mehr erfolgen müssen. Dafür sehen wir im Rahmen der CO2-Revision im Binnenmarktgesetz eine Ausnahmeregelung vor».
Politik hat die Zeichen der Zeit erkannt
Für die Politik spielt die Fernwärme eine wichtige Rolle. Der Bundesrat hat Ende 2021 den Bericht «Potenzial von Fernwärme- und Fernkälteanlagen» verabschiedet. Dieser belegt, dass dank thermischer Netze verschiedene erneuerbare Energien zur Wärmeversorgung effizient genutzt werden können.
Der VFS als Veranstalter wollte in diesem Forum wichtige Lösungsansätze diskutieren und neue Impulse liefern. Moderator des Anlasses war Beat Kobel, Geschäftsführer der Ryser Ingenieure AG, der hier eine Vielzahl an Experten begrüssen konnte.
Referenten stellten unterschiedliche Lösungsansätze vor
Den Anfang machte der Geschäftsführer des VFS Andreas Hurni, der zunächst den Anstieg der Mitgliederzahl von 105 auf 160 Mitglieder (52 %) lobte und das als Beweis für das wachsende Interesse an der Fernwärme wertete. So ein Erfolg motiviert zu weiteren Aktivitäten, die Hurni als Handlungsschwerpunkte einer Vorwärtsstrategie ankündigte. Neben den Politischen Lobbyismus, einem wirkungsvollen Marketing und besserem Image, sollt vor allem die Aus- und Weiterbildung verbessert werden. In einem Strategie-Workshop hatte man bereits am 5. Mai 2022 rund 50 Einzel-Massnahmen definiert.
Wien geht mit gutem Beispiel voran
Das ehrgeizige Ziel für uns alle lautet: Eine klimaneutrale Schweiz bis 2050. In Österreich ist man hier schon etwas weiter, das demonstrierte DI Mag. Gudrun Senk. Sie ist Prokuristin, bei der Wien Energie GmbH. Einer der grössten Energieanbieter in unserem Nachbarland, versorgt nach eigenen Angaben bereits 420 000 Haushalte mit Fernwärme. Über ein Leistungsnetz von 1 200 Kilometer werden circa 40 % des Wiener Wärmebedarfs gedeckt. Für die Fernkälte erreicht ein Netz von 16 km eine Leistung von 130 Megawatt.
Im Koalitionsprogramm der Stadt Wien wurde bereits 2020 verankert: «Wien will bis 2040 CO2-neutral sein». Dazu wird 2021 das Klimaschutzziel für 2040 auf netto null Treibhausgase angepasst. Am Weg zur CO2– neutralen Stadt ist auch eine Wärmewende unerlässlich, die zu einem weitgehenden Ausstieg aus fossilen Energieträgern für Heizung, Kühlung und Warmwasserbereitung bis 2040 führt. Wie will Österreich dieses Ziel erreichen?
Hierzu gibt es mehre Massnahmen: Zunächst will man per Gesetz keine Gasheizungen in Neubauten ab 2025 mehr genehmigen. Weiterhin ist ein Ausstieg aus fossilen Heizungen im Bestand voraussichtlich ab 2040 (derzeit 45 % fossiler Anteil) geplant. Trotz thermischer Sanierung erwartet „Wien Energie“ einen Zuwachs von 95 MW Fernwärmeleistung pro Jahr.
Praxisbeispiel aus den Kantonen Waadt und Wallis
Ein konkretes Beispiel aus der Praxis liefern die Ingenieure Patrick Dewarrat und Daniel Gasser mit ihrem Referat über eine Studie für SANTOM. Das Unternehmen ist verantwortlich für die Energieversorgung von 77 Gemeinden, und konzentriert sich auf die strategischen Tätigkeitsbereiche Materialverwertung, Abfallvergärung sowie Erneuerbare Energien. Aktuell nutzt SATOM die Wärme der Kehrichtverbrennung in Form von Stromproduktion, Überschusswärme, die durch Luftkühler abgebaut wird und Wärmeverteilung via Fernwärme Monthey. Da die Region Chablais über kein eigenes Fernwärmenetz verfügte und seinen Wärmebedarf zu über 85 % durch fossile Energien abgedeckte, war klar, dass man sich hier den eidgenössischen und kantonalem Vorgaben annähern muss.
Fazit: Der Anteil an erneuerbaren Energien sollte erhöht werden. Das Waadtländisches- Walliser Projekt war geboren. Das Ziel lautete: Ein flexibles Energiekonzept, das die bestmögliche Verwertung von lokalen Ressourcen mit minimaler Unterstützung durch fossile Energien ermöglicht. Die Studie kam zu dem Ergebnis: Ein Fernwärmenetz mit über 98 % erneuerbarer Energie ist selbst dann realisierbar, wenn ein Gebiet zu 85 % mit fossilen Energien versorgt wird. So können 22 500 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden. Das Projekt, stimmt somit komplett mit der Energiestrategie 2050 überein.
Fernwärme mit Geothermie oder Holz?
Ein recht positives Bild in Sachen Fernwärme zeichnete auch Dieter Gisiger von SEIC SA, Gland. Das Unternehmen ist hauptsächlich an der Côte tätig und bietet Privatpersonen, Unternehmen und Gemeinden Dienstleistungen in den Bereichen Energie, Multimedia und Installationen an. In einer strategischen Entscheidung des Verwaltungsrats aus dem Jahr 2006 besagt folgendes: Fernwärme darf nur aus erneuerbaren Energien kommen! Nur auf dieser Basis besteht die Bereitschaft zur Investition in Fernwärme. Doch welche Energien kommen dann in Frage? Eine Untersuchung aus den Jahren 2002 und 2004 ergibt, dass der Bezirk Nyon nur 25 % seines Wärmebedarfs mit Holz decken kann, wenn die Forstwirtschaft nachhaltig sein soll. Gisger stellt fest: Holz allein reicht nicht aus. 2003 wurde bereits ein Studie durch den Kanton Waadt zur Abschätzung des geothermischen Potentials auf seinem Hoheitsgebiet publiziert. Diese zeigt ein hohes Potential in der Region «La Côte», einem Gebiet zwischen den Jurabergen und dem Genfersee.
Alle Referenten am 22. Fernwärme Forum in Bern konnten somit eindrucksvoll belegen: Die Fernwärme und Fernkälte kann und wird einen wichtigen Beitrag an die Energiewende leisten. Es wird Innovationen und Investitionen brauchen. Mit anderen Worten: Hier spielt die Musik.