Mann macht sich so seine Gedanken: Aber selbst mit über 50, da geht noch Einiges.
(Publiziert in der Sonderbeilage 40plus in Zürcher Tagesanzeiger)
von Robert Schütz
Es ist die berufliche Halbzeit, mit über Fünfzig. Jetzt kommen die existenziellen Fragen:
Soll ich noch mal richtig durchstarten oder doch endlich das machen, was ich eigentlich schon immer wollte?
Fünfzig, das ist kein Alter. Es sind die besten Jahre. Und doch hat diese Zahl Fünfzig für viele etwas Magisches. Noch einmal im Leben blicken wir bewusst zurück auf unsere beruflichen Stationen, die Erfolge, die Misserfolge und Versäumnisse. Nicht alle Entscheidungen waren optimal. Aber da muss doch noch was kommen. Das kann es doch nicht gewesen sein, oder? Diese Zweifel sind nicht selten und nicht unberechtigt. Der Schulterblick des Lebens, ist in dieser Phase durchaus angebracht und oft sogar sehr hilfreich. Wichtig ist nur, dass man seine Selbstzweifel richtig deutet, dann die passenden Weichen stellt und sich dabei selbst treu bleibt. Ein Karrieresprung, dass wär’s jetzt. Neue Aufgaben und Herausforderungen geben Jedem neuen Schwung und Auftrieb. Man muss manchmal einfach nur wieder richtig Gas geben und bis an die Grenzen gehen. Das stärkt das Ego und den Geldbeutel.
Der zwei-jahre-dauernde Aufbaustudiengang zum „Masters of Business Administration“, kurz MBA, scheint für viele ein Weg zu sein, den eigenen Marktwert noch einmal zu erhöhen. Doch wie sinnvoll ist es, sich in diesem Alter noch einmal in den Hörsaal zu setzen? Kann es so tatsächlich gelingen eine besser dotierte Position zu erlangen. Prof. Dr. Julian Birkinshaw stellvertretender Dekan der London Business School (LSE) erklärte hierzu kürzlich: “Die Grundregel lautet: Banken stellen MBA-Absolventen für ihre Associate-Programme ein, wenn sie Ende 20 oder Anfang 30 sind. Es gibt kein Alter, an dem man zu alt für ein MBA-Studium ist. Doch es gibt einen Punkt, an dem die großen Namen ihr Interesse an Ihnen verlieren”, ergänzt Birkinshaw. “Sie werden das niemals zugeben. Doch die Wahrheit ist, dass Organisationen wie Banken nach Leuten suchen, die ihnen die besten Jahre ihres Lebens widmen und die das Potenzial haben, bis 40 zu einem Managing Director aufzusteigen.”
Eine berufliche Neuorientierung ist oft der richtige Weg.
Wer mit über 50 den absoluten Bruch mit dem vergangen Berufsleben will, der muss sich dann oft von besseren Karriereaussichten und steigenden Verdienstmöglichkeiten verabschieden. In einer völlig neuen Branche bzw. in einem neuen Beruf sind die Chancen hierfür meist nicht sehr gut. Und dennoch kann eine völlige Neuorientierung und Selbstverwirklichung die absolut richtige Entscheidung sein. Es gibt schliesslich noch mehr Beweggründe ausser Geld und Karriere. Die Gesundheit zum Beispiel. Man darf es nicht erst so weit kommen lassen, bis etwa Herz-Kreislauferkrankungen die ersten negativen
Signale senden. Unzufriedenheit im Beruf bedeutet Stress. Die Leistung lässt nach und die berufliche Überlastung wird dann schnell zur psychischen Belastung. Die Folgen können bis zum Burnout führen. Eine Erkrankung, die erst in den letzten Jahren in die Schlagzeilen geraten ist, die jedoch eine Bedrohung darstellt, die Jeder ernst nehmen sollte. Vorher den Absprung schaffen, scheint dann oft sinnvoller. Doch was kann ich mit über 40 noch tun? Wo gibt es denn in dem Alter nochmals die Möglichkeit für einen Quereinstieg? Wer hier nun überhaupt keine Idee hat, wie er seine gegebenen Fähigkeiten und Potentiale nutzen kann, der sollte mit einem Outplacement Consultant zusammen arbeiten. Dieser wird versuchen im Rahmen einer strukturierten Beratung und persönlichen Gesprächen mehr Klarheit über ihre persönlichen und beruflichen Ziele und Möglichkeiten zu erreichen. So gelingt dann auch eventuell der Einstieg in eine neue Berufswelt mit einem angemessenen Einkommen, wenn auch mit finanziellen Einbussen.
Weniger Ehrgeiz schafft mehr Freiheit.
Etwas einfacher sieht es sicherlich bei Menschen aus, für die der finanzielle Aspekt völlig irrelevant ist und die auf jeden Fall eine Neuorientierung wagen möchten. Die Glücklichen suchen oft nur Selbstverwirklichung und Anerkennung oder möchten sich einfach nur einen Jugendtraum erfüllen. Es soll wohl tatsächlich leitende Angestellte geben, die nach einer 25-jährigen Laufbahn in einer Bank eine beachtliche Position erreicht haben, dann jedoch mit über Vierzig begreifen, dass das Finanzwesen nicht ihre wahre und einzige Berufung ist. Dann suchen sie eventuell ihr Glück in der Philosophie, der Theologie, der Musik oder einem Handwerk oder sonstigen fachfremden Bereichen. Oder sie wollen einfach nur Töpfern auf La Gomera. Warum nicht. Es ist nie zu spät glücklich zu werden. Geld und Karriere sollten dann allerdings definitiv nicht mehr die Motivation für diese mutige Entscheidung sein, die in jedem Fall Bewunderung und Achtung verdient. Und wer weiss, vielleicht ist diese neu gewonnene Freiheit ja sogar der Schlüssel zum Erfolg. Es gibt durchaus Spätberufene, die selbst auf diese Art noch einmal erfolgreich werden.
Ein ganz berühmtes Beispiel war Albert Schweizer. Er eröffnete sein berühmtes Hospital in Lambarene ebenfalls erst mit über vierzig. Bereits mit 30 Jahren war er Professor der Theologie, und einer der meisterlichsten Orgelspieler Europas. Dennoch setzt er sich nochmals in den Hörsaal und macht dann sein medizinisches Staatsexamen. Dann noch ein Jahr klinischer Dienst und die Doktorarbeit und der Vierzigjährige tritt die Reise nach Afrika an um ein Spital zu errichten. Nach der Zerstörung seines Lebenswerkes während des Ersten Weltkrieges, war er zunächst völlig mittellos. Doch er fing erneut von vorne an. Da war er bereits weit über vierzig. Es muss ja nicht gleich ein Medizinstudium und ein Krankenhaus in Afrika sein.
Aber dieses Beispiel zeigt sehr gut: Selbst mit über vierzig, da geht noch Einiges
Text: Robert Schütz